Dienstag, 3. November 2009

(Foto: Gemälde von Degas)
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Stefan Richter widmete sein Leben nur seiner Arbeit.
Er kniete sich förmlich hinein, berauschte sich damit, um nicht der schieren
Verzweiflung anheim zu fallen, welche ihm immer dann befiel, wenn er alleine in seiner Wohnung war.
Hier erinnerte ihn alles an Daniela Martell.

So stand er wieder einmal gedankenverloren vor Dannis Foto.
EIgentlich hatte er es ja weggeräumt.
Aber hie und da holte er es aus der tiefsten Schublade wieder heraus.
Um stumme Zwiesprache damit zu halten.

'Danni, warum hast du das getan? Waren alle deine Worte Lügen? Ist dir das Materielle wirklich wichtiger als unsere Gefühle, als unser gemeinsames Leben und unsere Tochter?
Waren deine Liebesbeteuerungen auch nur Lügen?
War ich ein Spielball, ein Intermezzo, in deiner Welt? Was war ich für dich? Was bist du für mich? Soll ich dich hassen, für das, was du mir antust? Den Schmerz, der mein Herz zernagt? Und für das, was du unserem Kind antust, ihm die Mutter zu nehmen? Was soll ich Martina einmal erzählen? Ich weiß es ja selbst nicht. Alle meine Versuche, dich anzurufen, scheiterten an einer Mauer des Schweigens.
Und nun erfahre ich, daß du in ein paar Tagen heiratest.
Was soll ich da noch?! Ist ja klar, die Sache, du hast dich offenbar gegen mich entschieden.'
Tief seufzte er auf und fuhr sich nervös durch sein volles, dunkles Haar.
'Das Schlimme ist für mich, daß ich dich nicht vergessen kann. Deine Lippen, der Duft deines Haares, dein Lachen....'
Voll Wehmut sah er auf das Foto. Da lachte sie ihm entgegen in ihrer jugendlichen Heiter- und Fröhlichkeit.
Vor seinem inneren Auge sah er sie, wie er sie zum letzten Mal erblickte.
Klatschnass, lachend, winkend, scherzend.

'Warum nur, ich verstehe dich nicht. Du bist mit mir durch dick und dünn gegangen. Du hast mir deine Liebe gegeben, wie es schöner nicht sein konnte. Oder war es keine Liebe?'
Er schüttelte bitter lächelnd den Kopf.
Wußte es nicht.
Sein Gefühl sagte ihm,' ja, sie liebte dich', sein Verstand sagte ihm das Gegenteil.
'Wie soll sie dich geliebt haben, wenn sie so aprupt einen anderen, einen reichen Mann heiratet? Wie geht das?'

Stefan lief ins Vorzimmer, schloß die Türe auf und lief die Treppen hinunter.
Es war wie eine Flucht.
Er mußte hinaus, Luft holen, er hielt es alleine zu Hause nicht aus.
Wie Monster stürzten die Gedanken und Fragen auf ihn ein.
Stundenlang lief er durch die Wiener Stadt, wußte gar nicht, wo er war, kehrte schließlich in eine Bar ein.
Dunkles Licht empfing ihn, schwüle Luft und Stimmung.
Überall Separees. Dunkelroter Samt und Leder.

Wurscht, er wollte ja nur etwas trinken.
"Hallo, Süßer, fein, daß du gekommen bist. Darf ich mich zu dir setzen?"
Stefan wollte verneinen, da saß die auffällige Dame schon neben ihm.
"Bestellst du mir auch etwas zu trinken? Komm' Darling, ich weiß, wie ich dich ablenken kann."

Er wandte sein Gesicht in Richtung der jungen Frau. Falsche lange Wimpern umflorten die grünen Augen, ein etwas grell geschminkter Mund lachte ihn verlockend an.
Langes blondes Haar, es fiel fast bis zur Taille.
Er sah einen tiefen Ausschnitt und einen wohlgeformten Busen im rotem Spitzen-BH darunter.
Das Kleid war fast durchsichtig, geschlitzt bis zu den Oberschenkeln auf beiden Seiten, Netzstrümpfe, gehalten von roten Strapsen an straffen Beinen.
Sie rückte auf dem Barhocker näher an ihn heran und rieb ihren Schenkel wie zufällig an seinem Bein, ihr Fuß, in hohen Stöckelschuhen fuhr seine Wade hoch und wieder herunter.
"He, Fräulein, lassen sie das!"rief er.
Ne, das war es nicht, was er suchte, auch wenn er als Mann doch seine Leidenschaft spürte.
Ihre Hand, deren Fingernägel lang und rot lackiert waren, berührte seinen Unterarm.
"Hast du Sorgen, denkst du an eine andere?"
Auch wenn das alles nur Geschäft war, empfand es Stefan nun als Wohltat, daß ihn mal wer fragte, wie es ihm ginge.
Stumm nickte er und starrte in sein Whiskyglas.
"Willst du sie kurz vergessen? Mit deinen Gedanken ganz woanders sein? Dann komm' mit mir, Süßer."
Wiederum blickte er in die grünen unergründlichen Augen.
Sein Körper rief 'Ja!', sein Herz rief 'Nein!'.
Sie bemerkte sein Zögern.
"Lass' uns vorher noch etwas bestellen, ja?"
Sie schnippte mit den Fingern und die Bardame kam herbei.
"Miriam, bringe uns doch bitte einen Sekt und 2 Gläser, ja? Ich möchte gerne mit diesem Herrn anstossen!"
Miriam brachte das Bestellte auf einem silbernen Tablett, den Sekt im Kübel mit vielen Eiswürfeln darin.
"Wie heißt du eigentlich?" fragte die käufliche Dame mit Augenaufschlag.
"Stefan...und du?"
"Sag' Linda zu mir," gurrte sie zurück.
Er schenkte ihr und sich den Sekt ein und sie stiessen mit den Gläsern an.


Irgendwann, er wußte nicht, wie es geschah, landete er im Zimmer von Linda.
Auch hier war alles in Weinrot gehalten, selbst die schweren Vorhänge, welche nun zugezogen waren.
Das Bett sehr breit, ein Baldachin darüber und am Plafond von diesem ein Spiegel.

Im schwachen Lichtschein sah er Linda, diese saß am Bett und zog sich mit lasziven Bewegungen ganz langsam ihre Netzstrümpfe aus.
Er sah wohlgeformte nicht endenwollende Beine.

Einen Körper, der nur ihn wollte.
Sehnsuchtsvolle Blicke, Hände, die sich ihm entgegenstreckten.
Roch das süßlich-herbe Moschus, mit dem sie sich einparfurmiert hatte.

Eigentlich suchte er nicht Sex, sondern Liebe.
Aber manchmal gibt es Situationen im Leben, da nimmt man den Sex und denkt sich die Liebe dazu.
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