Sonntag, 1. November 2009

Es war über eine Woche später.
Das Ehepaar Martell war wieder zurück nach Wien gefahren, wußten sie doch die Tochter in guten Händen. Und es war für sie eine Beruhigung, daß Daniela Wort gehalten und sich mit dem Baron verlobt hatte.
Die Tage vergingen mit Ausritten am Vormittag für das Brautpaar und den Versuch, sich gegenseitig anzunähern.
Nach dem Mittagessen, welches für sie zunehmend eine Überwindung wurde, weil ihr Appetit zu wünschen ließ, hatte Daniela Zeit für sich.
Da ging Eugen seinen diversen Geschäften nach.
An so einem Nachmittag, einige Tage zuvor, hatte Daniela sich entschlossen, einen langen ausführlichen Brief an Klara zu schreiben.
Mit der Bitte, das alles zwischen ihnen beiden blieb.
Und dem Hinweis, daß sie versuchen würde, Tante Klara in den nächsten Tagen anzurufen.
Das mit dem Brief war schon ein ziemliches Risiko, das sie einzugehen sich lange überlegt hatte, und dann zum Entschluß kam, daß es nicht anders ging.
Aber versprochen hatte Danni ihren Eltern ja nur, Stefan nicht wiederzusehen.
Das Herz einer Mutter geht da eigene Wege.
Und die Sehnsucht nach ihrem Kind trieb sie zu diesem Schritt und so schummelte sie ihren frankierten Brief zu der abzusendenen Geschäftspost, welche an einem bestimmten Platz im Foyer zum Wegbringen auf die Post deponiert war.

EIner der Diener brachte die diversen Briefe am späten Nachmittag mit dem Wagen dorthin.

Aber ein Telefonat war schon weit gefährlicher, zumal sie nicht im Schloß anrufen konnte, denn die Gefahr, daß wer etwas mithören könnte, war sehr groß.
So schlich sich die junge Frau an einem dieser Sommernachmittage aus dem Schloß.
Sie wußte, daß beim Gestüt meist ein Rad stand und dieses lieh sie sich.
Und fuhr in den nächsten Ort.
Es war eine kleine Ortschaft, aber es gab dort eine Telefonzelle.
Aufatmend und sehr aufgeregt betrat sie die kleine Zelle und wählte die Telefonnummer von Klara  Moser. Extra hatte sie sich sehr viel Kleingeld mitgenommen und warf dauernd Münzen in den Geldschlitz ein.
"Hallo, hier Moser," meldete sich die bekannte Stimme und Danni zitterte am ganzen Körper.
"Hallo Klara, hier spricht Daniela,"kam es von ihren Lippen.
"Danni? Meine Güte, hallo, ich habe gestern deinen Brief erhalten. Und ich muß dir sagen, ich kann es immer noch nicht fassen! Wie kann so etwas in der heutigen Zeit noch passieren! Wir leben schließlich in den fünziger Jahren des 20.Jahrhunderts!"
"Klara....wie gehts meiner kleinen Martina?" "Ach, danke, sie macht täglich Fortschritte! Nun ist sie ja bald sechs Monate alt, sie mag sitzen, sie beginnt zu krabbeln, hat ihre ersten Zähnchen....."
Das Schluchzen von Daniela unterbrach ihre eifrigen Erzählungen.
"Oh, Danni, Kind...ich wollte, ich wäre bei dir und könnte dich trösten!"
"Das wäre auch mein Wunsch, das wäre so schön, Klara. Kannst du mich mit Martina nicht besuchen kommen? Ich könnte ja erzählen, daß du eine Freundin mit Kind bist, was ja zum Teil stimmt. Bitte!"
"Wollen würde ich ja schon, Kind, aber riskierst du da nicht viel? Stell' dir vor, das kommt heraus, wer Martina wirklich ist."
"Das will ich riskieren, Klara. Ich halte die Sehnsucht nach Martina nicht mehr aus.Bitte, bitte, tue etwas! Mach' mir den Gefallen!" Wieder fing sie zu weinen an.
"Muß ich schon Stefan vermissen und ihm weh tun....."
"Daniela, er ist außer sich vor Schmerz. Für ihn ist eine Welt zusammen gebrochen. Er weiß nicht mehr, was er glauben soll. Und ob du je für ihn etwas empfunden hast. Als er die Verlobungsgeschichte in der Zeitung gelesen hatte, rief er mich sofort an. Er war und ist so verzweifelt."
"Ich liebe ihn, Klara, ich werde ihm immer lieben, egal was passiert!"
"Ich weiß das ja, Kind, aber er nicht. Und ich darf es ihm ja nicht erklären."
"Klara, bitte, komm', bitte, ich schaffe es sonst nicht!"
"Also gut, wie du meinst. Ich werde in zwei Tagen bei dir sein, bitte reserviere ein Zimmer für Martina und mich in einem Gasthof in deiner Nähe. Und rufe mich morgen noch einmal an, damit ich weiß, wo ich hinfahren muß. Ich werde mit dem Zug kommen und dann versuchen, mit dem Taxi bis zu dem Ort, wo die Gastwirtschaft ist, zu fahren. Ist dir das recht?" Daniela warf die letzte Münze ein. "Ja, so machen wir das. Kuß an Martina, danke, ich muß Schluß...."KLICK. Ende der Verbindung.
Sie legte den Hörer auf die Gabel.
Und wußte momentan nicht, ob die Freude oder die Sorge oder die Angst überwog.
Schloß die Augen, atmete tief ein.
FUhr sich mit den Händen über das verweinte Gesicht.
Stand da, in der Telefonzelle, wie vom Donner gerührt.
Dann wandte sie sich um, öffnete die Türe, setzte sich auf das Rad und fuhr zur nächsten Pension, um ein Zimmer für Klara und Martina zu bestellen.
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Am nächsten Tag dasselbe Spielchen.
Rad genommen, zur Telefonkabine gefahren, Klara angerufen.
Termin vereinbart.
Als sie mit dem Rad zurückkam, begegnete sie Eugen.
"Du fährst Rad, Daniela? Wo bist du denn gewesen?"
"Ich war in der Ortschaft, Eugen. Habe mir die Gegend angesehen, die ich vom Pferd her nicht kenne."
Er sah sie forschend an, sah den seltsamen Blick, der ihn nicht mehr verwunderte.
Nur heute war da ein kleines Leuchten dabei.
Ihre Wangen waren rot von der Anstrengung und sie war etwas atemlos.
Die weiße Bluse, deren erste Knöpfe nicht geschlossen waren und ihren Busen erahnen liessen und die Röhrenjeans liessen sie so herrlich jung aussehen, was sie auch war.Um den Haaransatz hatte sie ein rotes Tuch mit weissen Punkten gebunden.
Und um ihre roten Lippen war ein Lächeln, das er nicht zu deuten wußte.
Sein Blick streifte über ihre schlanken wohlgeformten Beine zu den hübschen roten Sandalen an ihren kleinen Füßen. Die Zehennägel hatte sie rot lackiert.
EIn leises Seufzen drang aus seinem Mund.
"Eugen?"
"Ach entschuldige. Es tut mir leid, daß ich nicht den ganzen Tag Zeit für dich habe.
Andererseits bin ich sehr froh, wenn du dir so nett diese vertreibst. Gehst du heute abend mit mir ins Kino?"
Erfreut nickte sie. Abwechslung tat gut.
"Ja, gerne, ich freue mich."
"Wir sehen uns beim Abendessen wie immer, meine kleine Braut,"sprach er und gab ihr einen kleinen Kuß auf die Stirne, berührte kurz ihre Arme mit beiden Händen und spürte sein Leidenschaft wieder hoch steigen.
Rasch wandte er sich ab, um sich seinen Geschäftsangelegenheiten zu widmen.
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Wieder einen Tag später.
Daniela konnte es fast nicht erwarten, bis es nachmittag war.
Sie hatte sich mit Klara um drei Uhr verabredet und fast schaffte sie es nicht, pünktlich zu sein, weil ausgerechnet heute Eugen länger mit ihr plaudern wollte.
Atemlos kam sie in der kleinen Pension an.
Sie öffnete die Gastwirtschaftstüre und sogleich sah sie Klara Moser mit dem Kinderwagen.
Besonders schwer fiel es ihr, nicht sogleich auf das Baby, das ihr Kind war, loszustürzen und es in die Arme zu nehmen.
Sie mußte so tun, als wäre sie nur eine Freundin oder Tante der Kleinen.
Denn sie durfte nicht riskieren, daß das Dorfgetratsche bis zum Baron drang.
"Klara!"
Diese erhob sich und ging Daniela Martell ein paar Schritte entgegen.
Sie umarmten sich und lange hielt Klara die junge Frau in ihren Armen.
Nahm dann ihr Gesicht in beide Hände.
"Mädchen, was sind das für abstruse Geschichten!?"
Sie setzten sich zum Tisch.
Daniela hatte nun nur mehr Blicke für ihre Martina, die im Kinderwagen friedlich schlummerte.
Es war ein tiefer Wagen, wie zu dieser Zeit üblich, ein Korbwagen.
"Martina,"flüsterte sie und Tränen liefen aus ihren Augen.

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Fortsetzung folgt

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